Warum Abgeben?

Warum Abgeben?

Oder auch die Angst zu kurz zu kommen – eine brisante Auseinandersetzung mit Flüchtlingen und deren Gegnern

Denke ich an das, was ich nebenbei (ich lese bewusst keine Zeitungen und gucke
keine Nachrichten (wenn Sie wüssten, was ich trotzdem alles so mit bekomme…))
zum Thema Flüchtlinge höre und sehe, bleibt mir die Luft weg. Menschen sind in Not
und benötigen Hilfe. Andere Menschen sehen sie als Bedrohung, als Gefährdung
ihres eigenen Satt werdens. Es gibt Menschen, die haben Positionen. Die einen, die
sich für Flüchtlinge stark machen und die anderen, die wiederum die anfeinden,
sogar bedrohen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, wie z.B. Til Schweiger.

Jeder braucht das Gefühl „ein Zuhause zu haben“. Diese Menschen, die sich auf
einen langen Weg begeben haben, haben ihr Zuhause verloren. Sie haben oft
Menschen, die sie lieben und ihnen nahe stehen, verloren. Sie haben Tortouren
hinter sich, wurden zum Spielball einer Weltpolitik. Macht und Ohnmacht liegen nah
beieinander. Durch die Macht der Weltpolitik ist die Situation die, die sie ist. Einige
Menschen sind dieser Situation mehr ausgesetzt als andere. Nicht, weil sie es sich
selbstbestimmt ausgesucht haben, sondern einfach, weil sie dort lebten, wo sie
geboren wurden.

Viele Menschen haben weder die finanziellen Möglichkeiten noch den Bildungsgrad,
eine Flucht zu planen und zu organisieren. Die, die es schaffen, sind meist die, die in
den betroffenen Ländern besser gestellt sind. Sie nutzen die einzige Chance, die sie
haben. Die wenigen machen sich auf den Weg in der Hoffnung, ein
menschenwürdiges Leben leben zu können.

Angekommen! Angekommen? Nein, weiß Gott nicht. Nun werden die Flüchtlinge mit
der Ohnmacht und Angst der Menschen unserer Gesellschaft konfrontiert, deren
Bedürfnisse nie erfüllt oder gesehen wurden. Es gibt so viele Menschen in unserem
Land, die das Gefühl haben, sie seien zu kurz gekommen, sie seien Opfer und nun
sollen sie auch noch von dem Bisschen, was da ist, etwas abgeben.

Ja, es gibt auch tatsächlich echte Armut bei uns. Es gibt z.B. viele Straßenkinder-
alleine in Hamburg gibt es über 700. Wussten Sie das? Glauben Sie, dass diese
Straßenkinder diejenigen sind, die gegen die Flüchtlinge und deren Helfer vorgehen?
Ich glaube nicht. Glauben Sie, es sind die, die in schwierige Situationen gekommen
sind und gerade wenig bis kein Geld haben, ihren Job verloren haben und alles dafür
geben, um ihre Situation wieder zu verändern? Nein, ich glaube nicht. Obwohl ich
diese Situation aus eigener Erfahrung kenne und auch das Gefühl der Ohnmacht
und des „dem Staat, besser der Willkür und dem Machtgehabe der Politiker
ausgeliefert zu sein“ und ich damals viel als ungerecht und fernab von jeglicher
Menschlichkeit empfunden habe, es sehr in das Gefühl der Menschenwürde ging.
Doch berechtigt das einen Menschen anderen Menschen die Hilfe zu verweigern gar
in die Lebensbedrohung derer zu gehen?

Auch, wenn ich mir in Deutschland das Ost-West-Gefälle anschaue, frage ich mich,
was soll das? Warum verdienen die Menschen im Osten so viel weniger als im
Westen? Es ist tatsächlich ungerecht. Darf ich deshalb aus meinem tiefen
menschlichen Empfinden heraus anderen das Land, das neue Zuhause verweigern?
Darf es so sein, weil dies von der Politik geschürt wird und wir es alle mit leben?
Was würde passieren, wenn wir allen Flüchtlingen bei uns ein Zuhause gäben?
Hätten wir dann keinen Platz mehr? Würden wir verhungern, weil unser Essen nicht
reicht? Hätten wir kein Zuhause mehr? Kein Geld? Keinen Job?

Meine Überzeugung ist, dass das ganze Gegenteil eintritt. Das auch all die Löcher,
die jetzt da sind, ausgeglichen würden. Angefangen bei der Rente, weiter über den
Ausgleich des Pflegekräftemangels hin zur Mitarbeitersicherung. Die Wirtschaft
gewinnt und es käme der Aufschwung. Vielleicht gleicht es sogar ein Stück die
unerfüllten Bedürfnisse der jetzigen Gegner der Flüchtlinge aus, weil das strahlende
Gesicht eines Flüchtlings, der bleiben durfte und ein neues Zuhause bekommen hat,
ihnen genau das gibt, was ihnen fehlt: Liebe!

Was würden wir uns von anderen Menschen wünschen, wenn uns dieses Schicksal
treffen würde? Erinnern wir uns: es hat uns getroffen und z.B. ohne die Care Pakete
der Amerikaner, die, die wir vorher bekämpft haben, hätten wir nicht überlebt.
Standen die da und haben gesagt, es bekommen nur die, die auf der anderen Seite
waren?

Natürlich haben die Deutschen viele Jahrzehnte an ihrem Wohlstand und ihrer
Sicherheit gearbeitet, und nun ist dieses Auffangnetz vom Zerreißen bedroht.
Der Mensch muss einsehen, das sich die Welt gerade rapide verändert und das wir
nur eine Chance in diesem Globalen System haben: zusammenzuarbeiten und
zusammenzuhalten!